Radikalisierung der Mitte?
- Oldenburg | 23. November 2018
OLB-Forum: Prof. Dr. Andreas Zick sprach über Gewaltbereitschaft aus psychologischer Sicht
- OLB-Forum: Prof. Dr. Andreas Zick sprach über Gewaltbereitschaft aus psychologischer Sicht
Die Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft ist wieder angestiegen. Deutschland hat ein äußerst hohes Niveau an so genannten Hasstaten in den vergangenen Jahren verzeichnet, die auf Vorurteilen und menschenfeindlichen Einstellungen wie Ideologien basieren. Dabei fällt immer stärker auf, dass sich normale Bürgerinnen und Bürger aus der Mitte der Gesellschaft zu solchen Hasstaten hinreißen lassen. Das sagte Prof. Dr. Andreas Zick, Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld, am Donnerstag, 22. November 2018, in der Oldenburger Kulturetage. „Radikalisierung der Mitte?“ lautet der Titel seines Vortrags in der Reihe OLB-Forum „Wissen und Zukunft“ der Oldenburgische Landesbank AG (OLB).
„Ich freue mich, dass wir einen Experten zu Gast haben, der aus psychologischer Sicht über die Ursachen von Diskriminierung, Gewalt und Menschenfeindlichkeit sprechen wird“, so OLB-Vorstandsmitglied Hilger Koenig in der Einführung.
Prof. Dr. Andreas Zick sprach über die Arbeit seines Institutes für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld. Ein zentrales Thema sind menschenfeindliche Meinungen in der Mitte der Gesellschaft. Damit sind Vorurteile, wie auch negative Emotionen gegenüber Minderheiten gemeint. Sie bieten die Grundlage für populistische und extremistische Überzeugungen, die immer stärker die Gesellschaft spalten. „Die Macht des Vorurteils wird weitgehend unterschätzt“, sagte Andreas Zick.
Der Sozialpsychologe berichtete über Langzeitstudien in der deutschen Gesellschaft, die
auch der Frage nachgehen, wie weit rechtspopulistische, rechtsextreme und so genannte neurechte Überzeugungen verbreitet sind. Er führte aus, dass bereits vor dem Aufwind rechtspopulistischer Gruppen wie Pegida viele Menschen nicht nur menschenfeindliche Meinungen vertraten, sondern auch der Meinung waren, dass die Demokratie nicht richtig funktioniert. „Demokratiemisstrauen und menschenfeindliche Bilder, die den Bürgern suggerieren, dass die Abwertung der Anderen eine Aufwertung von ihnen bedeutet, haben den Populismus und Extremismus stark gemacht“, so Andreas Zick. „Es sind weniger Frustrationen und Sorgen, die Menschen radikal machen, sondern eine Propaganda, dass der Staat die Kontrolle verloren hat.“
Der Referent zeigte anhand von Analysen von Meinungsumfragen, die sein Institut seit 2002 durchführt, dass 21 Prozent der Mitte der Gesellschaft anfällig sind für rechtspopulistische Überzeugungen, 28 Prozent teilen neurechte Meinungen, die starke nationale Identitäten und Widerstand gegen die Regierenden propagieren. Dabei überschätzen viele Menschen ihre Toleranz und Menschenfreundlichkeit. Die Zukunftsfrage der Gesellschaft hinge laut
Zick davon ab, ob die Gesellschaft demokratiefreundliche Räume entwickeln kann.
Im Anschluss an den Vortrag gab es eine lebhafte Diskussion mit dem Publikum.
Zur Person:
Prof. Dr. Andreas Zick (56) studierte an der Ruhr-Universität Bochum Psychologie und Evangelische Theologie. Er promovierte 1996 an der Philipps-Universität Marburg und habilitierte sich 2008 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Fach Psychologie. Seine Habilitation war der „Psychologie der Akkulturation“ gewidmet, also der Frage danach, wie sich Menschen neue kulturelle Umwelten aneignen und dabei Konflikte erfahren und bewältigen. Andreas Zick ist seit 2008 Professor für Sozialisation und Konfliktforschung an der Universität Bielefeld. Seit 2013 leitet er als Direktor das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG), das sich der fachübergreifenden Analyse von Gewalt und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit widmet. Im Jahr 2016 erhielt er den Communicator-Preis des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).
OLB-Forum „Wissen und Zukunft“
Seit mehr als 30 Jahren bietet die Oldenburgische Landesbank AG mit dem OLB-Forum „Wissen und Zukunft“ ein kostenloses und vielfältiges Vortragsprogramm an. Damit setzt die Regionalbank auf den Dialog der Öffentlichkeit mit renommierten Referenten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur und übernimmt mit diesen gesellschaftlich relevanten Themen Verantwortung. Seit 2012 veranstaltet die OLB zudem einmal jährlich ein Junges Forum für acht- bis zwölfjährige Kinder.