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dpa-AFX: HINTERGRUND/Milliarden für die Wirtschaft: Deutsche Nebenwerte auf Überholspur

FRANKFURT (dpa-AFX) - Konjunkturhoffnungen rund um das
Milliarden-Infrastrukturpaket der neuen Bundesregierung treiben deutsche
Nebenwerte seit einigen Monaten stark an. Der SDax der kleineren
Nebenwerte bewegt sich bereits auf Rekordniveau, und der MDax hat
zumindest im internationalen Vergleich einen sehr guten Jahresstart hingelegt.
Die Hoffnungen auf eine Belebung der deutschen Wirtschaft sind also groß, ganz
ohne Risiken ist das aber nicht.

"Wer heute in deutsche Nebenwerte investiert, setzt auf den produktiven Kern
der deutschen Wirtschaft - technologiegetrieben, unternehmernah und oft
unterschätzt", sagt Blanca Habbel, Portfoliomanagerin bei der
Vermögensverwaltung Habbel, Pohlig & Partner.

Auf lange Sicht sind Aktienkäufer mit hiesigen Nebenwerten derweil gut
gefahren. Seit Einführung der Indizes SDax und MDax Ende der 90er-Jahre haben
sie den deutschen Leitindex Dax hinter sich gelassen. Am
deutlichsten ist der Vorsprung beim MDax der mittelgroßen Werte.

Der Hauptgrund dafür liege im stärkeren Wachstumspotenzial kleinerer und
mittelgroßer Unternehmen, erklärt Portfoliomanager Andreas Feldmann von B&K
Vermögen. Diese Firmen sind "oft agiler, können sich schneller an neue
Marktbedingungen anpassen und sind in vielen Fällen hoch spezialisierte
Nischenanbieter - sogenannte 'Hidden Champions'".

In insgesamt schlechten Börsenjahren leiden kleinere Werte aber oftmals
deutlicher als große. Das wurde auch 2022 deutlich, das von Inflationssorgen und
dem russischen Überfall auf die Ukraine geprägt war. In diesem Jahr büßten MDax
und SDax stark ein. Neben dem damals gestiegenen Zinsniveau verweist Feldmann
auf eine konjunkturelle Schwäche in Deutschland und Europa, strukturelle
Probleme wie hohe Energiepreise und Bürokratie sowie geopolitische
Unsicherheiten.

Doch aktuell hat sich zumindest mit Blick auf die Inflation das Blatt zum
Besseren gewendet. Durch die niedrigeren Zinsen sind Kredite nun günstiger zu
haben. Dies weckt die Hoffnung, dass die hiesigen Unternehmen mehr investieren
und die Verbraucher mehr Geld ausgeben. Beides würde die deutsche Wirtschaft
ankurbeln. Zusätzlichen Schub geben sollte das deutsche Milliardenpaket für die
Erneuerung der teils maroden Infrastruktur.

"Sinkende Zinsen, staatliche Investitionen und attraktive Bewertungen wirken
wie Dünger nach langer Dürre", sagt Experte Arthur Enders von der RP Rheinische
Portfolio Management GmbH. Dabei liefere der MDax Stabilität, der SDax mehr
Tempo. Wer aber in SDax-Unternehmen investieren will, sollte Enders zufolge
nicht nur die Chancen sehen, sondern müsse auch Schwankungen aushalten.

Der Grund für die unterschiedlichen Risikoprofile der Indizes liegt
Fachleuten zufolge in ihrer Zusammensetzung. "Während der MDax stärker
international ausgerichtet ist und viele global tätige Mittelständler umfasst,
spiegeln die Unternehmen im SDax in größerem Maße die Lage der deutschen
Binnenwirtschaft wider", kommentiert Harald Sporleder, Chefanlagestratege von
Lingohr Asset Management. Insofern reagiere der SDax besonders sensibel auf die
konjunkturelle Entwicklung in Deutschland selbst.

Entsprechend viel hängt daher von der Umsetzung der avisierten staatlichen
Milliardeninvestitionen etwa in Brücken, die Schiene oder IT-Infrastruktur ab;
sowie von den Versprechen der Regierung, für weniger Bürokratie und schnellere
Planungsverfahren zu sorgen.

Denn: Noch befindet sich die deutsche Wirtschaft laut den
"Wirtschaftsweisen" in einer "ausgeprägten Schwächephase". Ob Deutschland
mittel- und langfristig zurück in die wirtschaftliche Erfolgsspur findet, ist
aus Sicht dieser Experten alles andere als sicher. Ihrer Auffassung nach bremsen
bürokratische Anforderungen und lange Genehmigungsverfahren das
Wachstum./la/ag/mis

--- Von Lutz Alexander, dpa-AFX ---

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