dpa-AFX: KORREKTUR/ROUNDUP 2: Frachter-Untergang mit Tausenden VW-Autos - Wer zahlt?
(Im 7. Absatz wurde berichtige, dass das Schiff 150 Kilometer südlich der
Azoren sank.)
BRAUNSCHWEIG (dpa-AFX) - Tausende VW-Autos sanken im Februar 2022 mit dem
Autofrachters MS "Felicity Ace" nach einem Brand. Nun soll geklärt werden: Wer
kommt für den Verlust auf? Vor dem Landgericht Braunschweig hat dazu die
Verhandlung einer Schadenersatzklage begonnen.
Die Eigentümerin und Reederei des Schiffes sowie Versicherungen machen eine
Lithium-Batterie eines Porsche Taycan für das Feuer verantwortlich. Die Batterie
des Elektroautos soll sich an Bord des Schiffes aufgrund eines technischen
Defektes selbst entzündet haben. Porsche und Volkswagen bestreiten das.
"Volkswagen hält die Vorwürfe für unbegründet und wird sich energisch
verteidigen", sagte ein Unternehmenssprecher.
Was brannte zuerst?
Die Klage richtet sich neben Porsche auch gegen die Volkswagen
Konzernlogistik. Die Kläger fordern Schadenersatz im dreistelligen
Millionenbereich - die genaue Höhe ist strittig. Auf Kläger-Seite steht unter
anderem die japanische Reederei Mitsui O.S.K. Lines, die laut dem Vorsitzenden
Richter sehr erfahren im Bereich Autotransporte ist. Ähnliche Verfahren laufen
auch vor Gerichten in Stuttgart und Panama.
Im Kern stellt sich unter anderem die Frage, ob ein Auto den Brand auslöste
oder ob Autos durch ein Feuer in Brand geraten seien, sagte der Vorsitzende
Richter Ingo Michael Groß. "Was ist Henne und was ist Ei?". Beide Seiten
stritten sich dazu bereits zu Beginn der Verhandlung etwa darüber, auf welchem
Schiffsdeck der Brand ausbrach und wie vertrauenswürdig bisherige Aussagen der
Matrosen seien.
Fraglich ist auch, wer welches Wissen hatte. "Wer hatte einen
Wissensvorsprung?", fragte der Vorsitzende Richter. Dabei geht es darum, ob die
Reederei bessere Sicherheitsvorkehrungen hätte treffen müssen. Oder ob
Volkswagen die Reederei besser über mögliche Gefahren der Autos hätte
informieren müssen.
Die Volkswagen-Seite sagt, die Reederei sei über die Transportware und die
Gefahren bestens informiert gewesen. Die Kläger verweisen unter anderem darauf,
dass in den Porsche Taycans neuartige Batterien verbaut waren, auf die man nicht
vorbereitet war.
Autofrachter sank vor den Azoren
Das Spezialschiff war auf dem Weg von Emden in die USA mit 3.928 Autos -
größtenteils Neuwagen von VW-Marken wie Audi, Bentley, Lamborghini, Seat und
eben Porsche. Darunter waren auch mehr als 100 Porsche-Elektroautos vom Typ
Taycan. Auf Höhe der Azoren geriet es am 16. Februar 2022 in Brand, sechs Tage
nach der Abfahrt in Emden. Verletzt wurde dabei niemand: Eine Stunde nach
Erkennen des Feuers wurde das Schiff evakuiert. Einen halben Monat später sank
es bei einem Abschleppversuch 150 Kilometer südlich der Azoren im Atlantik.
Die beiden Parteien haben bis zum 8. Oktober Zeit für eine erste
Stellungnahme. Anschließend sollen sie erneut mehrere Wochen Zeit bekommen, sich
zu den unterschiedlichen Positionen zu äußern. Zeugen sollen erst zu einem
späteren Zeitpunkt gehört werden. Zuerst sollen Sachverständige zu Wort kommen.
Das Schiff selbst kann nicht bei der Aufklärung des Falls helfen - es liegt auf
mehr als 3.000 Metern Tiefe.
Entscheidend dürfte daher werden, wie exakt es den Klägern gelingt, den
vorgeworfenen technischen Defekt an dem Porsche Taycan zu erläutern. Die Hürden
in dem Verfahren seien hoch, sagte der Vorsitzende Richter. Auch die
Kläger-Seite räumte ein, dass das Risiko in dem Verfahren für sie hoch sei. Die
beiden Parteien können sich auch jederzeit außergerichtlich einigen.
Was besserer Schutz möglich?
Im Vortrag des Vorsitzenden Richters wurde auch deutlich, dass technisch auf
dem Schiff nicht alles reibungslos verlief. So habe etwa die Löschanlage nicht
richtig ausgelöst. Die Volkswagen-Seite ist der Auffassung, dass diese den Brand
hätte ausbremsen können, um das Schiff in einen Hafen zu steuern. Auch stellten
die Anwälte die Sicherheitsabläufe an Bord des Schiffes infrage. Die Kläger
halten dagegen, dass die verbaute Schaumlöschanlage ohnehin nicht auf Brände von
E-Auto-Batterien ausgelegt sei. Denn: Zwar würden E-Autos nach Stand der
Wissenschaft seltener brennen. Dafür aber heftiger.
Versicherer fordern bessere Löschanlagen
Nach dem verheerenden Brand auf dem Frachter hatte etwa der Gesamtverband
der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) bereits bessere Löschanlagen auf
solch riesigen Transportschiffen gefordert. "Bei Warenwerten bis zu 500
Millionen Euro an Bord sollte bei diesen Schiffen in mehr Sicherheit investiert
werden", sagte damals der GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. /xma/DP/jha/