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dpa-AFX: ROUNDUP 2/Deutschland: Inflation sinkt im Juni auf 2 Prozent - Energie billiger

WIESBADEN (dpa-AFX) - Günstigere Energie und geringere Preissteigerungen bei
Lebensmitteln: Die Inflationsrate in Deutschland ist überraschend auf den
niedrigsten Stand seit über einem halben Jahr gesunken. Im Juni lagen die
Verbraucherpreise um 2,0 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats, wie das
Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilt. So niedrig war die Teuerung
zuletzt im Oktober 2024. Im Mai hatte die Rate noch 2,1 Prozent betragen.

Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater sieht die Inflation gebändigt: "Die Zinsen
sind gefallen, die akute Inflationsbedrohung ist vorbei." Zum Sinken der
Inflationsrate trug erneut billigere Energie als im Vorjahresmonat bei (-3,5
Prozent), allerdings flacht der Rückgang langsam ab.

Iran-Konflikt ohne große Folgen

Auch der Konflikt zwischen Israel und Iran, der die Preise für Rohöl und
Sprit zeitweise kräftig nach oben getrieben hatte, blieb weitgehend folgenlos.
Denn der starke Euro, der zum Dollar aufgewertet hat, verbilligt Importe.
Lebensmittel verteuerten sich noch um 2,0 Prozent nach einem Plus von 2,8
Prozent im Mai.

Hartnäckig bleibt die Inflation bei Dienstleistungen, zu denen
Versicherungen, Pauschalreisen und Autoreparaturen zählen. Im Juni kletterten
die Preise für Dienstleistungen um 3,3 Prozent - eine Folge gestiegener Löhne.
"Die Urlaubszeit bringt keine Erholung von der Teuerung", sagt Michael Heise,
Chefvolkswirt beim Vermögensverwalter HQ Trust. "Wer verreist, spürt es bei der
Buchung vom Hotelzimmer - wer daheim bleibt, in der Eisdiele."

Preiswelle mit Ukraine-Krieg

Trotz der moderaten Teuerungsrate spüren Verbraucher in Deutschland die
deutlich gestiegenen Preise beim Einkaufen im Alltag. Butter, Schokolade, Obst
und Gemüse etwa haben sich stärker verteuert als der gesamte Warenkorb.

Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 war die Inflation nach
oben geschossen, die Preise für Energie und Lebensmittel kletterten rasant. 2022
lag die Inflation im Schnitt bei 6,9 Prozent und 2023 bei 5,9 Prozent, bevor sie
im vergangenen Jahr auf 2,2 Prozent abflaute. Viele Verbraucher haben daher
Kaufkraft verloren. Sie können sich für einen Euro weniger leisten.

Commerzbank -Chefvolkswirt Jörg Krämer sieht trotz der
erneuten Abnahme weiterhin hohe Inflationsrisiken. "Ohne die
schwankungsanfälligen Preise für Energie und Nahrungsmittel ist die Inflation im
Juni kaum gefallen und liegt nach wie vor über dem EZB-Ziel von zwei Prozent."
Diese "Kerninflation" lag laut Statistik im Juni bei 2,7 Prozent - nach 2,8
Prozent im Vormonat.

Risikofaktor Zollstreit

Wie es mit der Inflation weitergeht, ist mit der aggressiven Zollpolitik von
US-Präsident Donald Trump ungewisser geworden. So könnten Zölle auf die Preise
von Industriegütern durchschlagen und auf Umwegen Verbraucher treffen. Die EU
versucht in Verhandlungen mit Washington einen Handelskrieg abzuwenden. Ein
erneuter Zollschock könnte die Inflation in der Eurozone wieder antreiben.

Auch die geplanten Milliarden für Verteidigung und Infrastruktur könnten die
Inflation in Deutschland beeinflussen. Manche Ökonomen erwarten, dass die
Teuerung steigt, weil mit den zusätzlichen Mitteln eine zusätzliche Nachfrage
geschaffen wird.

2,0 Prozent auch im Gesamtjahr?

Die Bundesbank geht davon aus, dass die Inflationsrate in Deutschland in den
kommenden Monaten um die Zwei-Prozent-Marke schwanken wird. Das würde der
Zielmarke der Europäischen Zentralbank entsprechen, die bei diesem Wert eine
Preisstabilität annimmt. Ökonomen, darunter der Sachverständigenrat
("Wirtschaftsweise"), rechnen damit, dass ein Wert um zwei Prozent auch im
Jahresschnitt 2025 herauskommen wird.

Wie handelt die EZB?

Die Entwicklung der Inflation in Europas größter Volkswirtschaft ist ein
wichtiger Indikator für die EZB, die sich im Kampf gegen die Inflation alle
Mittel offen hält. Angesichts von Sorgen um die Konjunktur und einer abflauenden
Teuerung hat die Notenbank den für Sparer und Banken relevanten Einlagenzins zum
achten Mal sei dem vergangenen Sommer gesenkt - zuletzt auf 2,0 Prozent.

Beim nächsten EZB-Entscheid am 24. Juli rechnen die meisten Ökonomen mit
einer Zinspause. "Die EZB dürfte sich in ihrem Kurs bestätigt fühlen", sagt
Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der Liechtensteiner VP Bank. Der noch immer
deutliche Anstieg der Dienstleistungspreise dürfte seiner Ansicht nach die EZB
vorerst von weiteren Zinssenkungen abhalten./als/DP/la

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