dpa-AFX: Was Menschen in Städten mehr radeln und laufen lässt
LOS ANGELES (dpa-AFX) - In dicht besiedelten Städten sind viele Wege zu
Alltagsaktivitäten eher kurz - und werden dann häufiger mit dem Rad oder zu Fuß
zurückgelegt, wie eine Studie zeigt. Zudem führe jeder Kilometer neuer Radweg im
Mittel zu etwa 13.400 Kilometern mehr mit dem Fahrrad zurückgelegter Wegstrecke
jährlich, berichtet das Forschungsteam im Fachjournal "Proceedings of the
National Academy of Sciences" ("PNAS"). Mehr aktive Mobilität sei wiederum mit
erheblichen Einsparungen bei den Gesundheitskosten verbunden.
"Auf Stadtebene hat die Bevölkerungsdichte den größten Einfluss auf den
Anteil des Fußverkehrs und wirkt sich auch positiv auf das Radfahren aus, da
Ziele bei höherer Dichte in erreichbare Fuß- und Radentfernungen kommen",
schreiben die Studienautoren. Deutschland gehört demnach zu den Ländern, in
denen dieser Zusammenhang besonders deutlich ist.
Mehr Radwege führen zu mehr zu Fuß zurückgelegten Kilometern
Ebenfalls bedeutsam sind die Benzinpreise: Je höher sie sind, desto mehr
Kilometer werden zu Fuß oder per Rad zurückgelegt. Überraschend zeigte die
Auswertung, dass mehr Radwege auch zu mehr Kilometern führen, die zu Fuß
gegangen werden. Die Forscher vermuten, dass der Faktor "Radweg" mit einer
breiteren Palette von Straßengestaltungsmaßnahmen, etwa Gehwege und
übersichtliche Kreuzungsbereiche, zusammenhängt.
Die Wissenschaftler um Adam Millard-Ball von der University of California in
Los Angeles hatten Bewegungsdaten aus Städten in 121 Ländern untersucht. In den
untersuchten 11.587 Städten leben etwa 41 Prozent der globalen städtischen
Bevölkerung. Insgesamt leben nach aktuellen Schätzungen rund 57 Prozent der 8,2
Milliarden Menschen auf der Welt in Städten.
Autos und Krafträder noch bei 74 Prozent
Genutzt wurde der Datensatz des Google Environmental Insights Explorer
(EIE), der teilweise auch von deutschen Kommunen verwendet wird. Er wertet die
Nutzung von Google Maps, aber auch viele andere Datenquellen aus. In den
untersuchten Städten legen die Einwohner demnach durchschnittlich zwei Prozent
der Wegstrecken zu Fuß und 0,9 Prozent mit dem Fahrrad zurück. Der öffentliche
Nahverkehr kommt auf rund 23 Prozent, Autos und Krafträder auf etwa 74,2
Prozent.
In Nord- und Mitteleuropa werden Fahrräder der Auswertung zufolge deutlich
mehr genutzt als in den meisten anderen Teilen der Welt. In Amsterdam und
Kopenhagen zum Beispiel werden etwa die Hälfte aller Wege mit dem Fahrrad oder
zu Fuß zurückgelegt. Selbst in den fahrradfreundlichen Niederlanden ist die
Bandbreite der Fahrradnutzung dabei sehr groß: Sie reicht von 1,7 Prozent in
Kerkrade bis zu 36,2 Prozent in Wageningen.
Milliarden US-Dollar Einsparungen möglich
In der dänischen Hauptstadt Kopenhagen gibt es etwa 44,3 Kilometer Radwege
pro 100 Kilometer Straße. Wenn jede Stadt dieses Niveau an Fahrradfreundlichkeit
erreichen würde, würde sich die zu Fuß zurückgelegte Strecke pro Jahr weltweit
um rund 358 Milliarden Kilometer und die per Rad zurückgelegte Strecke um 305
Milliarden Kilometer erhöhen, hat das Team errechnet. Die dann eingesparten
Gesundheitskosten beziffern die Wissenschaftler auf 435 Milliarden US-Dollar pro
Jahr. Und die Treibhausgasemissionen aus Fahrzeugen würden um 4,9 bis 11,9
Prozent sinken.
Das Team um Millard-Ball schlussfolgert, dass eine Verdichtung der Stadt
eine effektive Maßnahme sein kann, um einen höheren Anteil an Fußgängern und
Radfahrern am städtischen Verkehr zu erreichen. Zudem wären Maßnahmen wichtig,
die die aktive Mobilität sicherer und komfortabler machen.
Kein CO2, weniger Parkplätze, mehr körperliche Aktivität
"Unser Datensatz unterstreicht die Rolle von Radwegen und -spuren, aber auch
andere Aspekte der Straßengestaltung - Gehwege, sichere Übergänge und
verkehrsberuhigende Maßnahmen wie erhöhte Kreuzungen - sind für den aktiven
Verkehr wichtig", schreiben die Studienautoren. Bei erhöhten Kreuzungen wird der
Kreuzungsbereich auf das Niveau der Gehwege angehoben und zudem durch bauliche
Maßnahmen hervorgehoben.
"Beim Gehen und Radfahren entstehen praktisch keine CO2-Emissionen oder
schädlichen Luftschadstoffe, der Platzbedarf für Straßen und Parkplätze ist
minimal und die Menschen können körperliche Aktivitäten in ihren Alltag
integrieren", gibt das Team zu bedenken. Zu den gesundheitlichen Vorteilen
zählen demnach eine verbesserte psychische Gesundheit und ein geringeres Risiko
für Herz-Kreislauf-Erkrankungen./fm/DP/zb