MOSKAU/KIEW (dpa-AFX) - Russland und die Ukraine haben mit einem weiteren
Gefangenenaustausch begonnen. Die erste Gruppe russischer Soldaten unter 25
Jahren sei aus ukrainischer Gefangenschaft entlassen worden, teilte das
Verteidigungsministerium in Moskau mit. Der Ukraine sei eine ähnliche Zahl
Gefangener übergeben worden. Eine genaue Zahl nannte das Ministerium nicht. Kiew
bestätigte den Austausch, der zu Monatsbeginn in Istanbul bei direkten
Verhandlungen beider Kriegsparteien vereinbart worden war.
Die russischen Soldaten befinden sich nach Angaben aus Moskau derzeit in
Belarus und erhalten dort medizinische Hilfe.
Junge und schwer verletzte Soldaten kehren zurück
"Unsere Leute sind zu Hause", schrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr
Selenskyj auf der Plattform X. Unter den Heimkehrern seien neben jungen Soldaten
auch Schwerverletzte. Auch Selenskyj nannte keine konkrete Zahl. Seinen Angaben
nach ist der Austauschprozess mit Schwierigkeiten verbunden. Er rechne aber
damit, dass die in Istanbul ausgehandelte Einigung vollständig umgesetzt werde.
Zuletzt hatte es zwischen Moskau und Kiew Streitigkeiten über den Zeitpunkt des
Austauschs gegeben.
Bei der zweiten Verhandlungsrunde zwischen russischen und ukrainischen
Vertretern in Istanbul vor einer Woche hatten beide Seiten den Austausch von
Gefangenen und Leichen gefallener Soldaten vereinbart. Bei den Gesprächen waren
beide Seiten übereingekommen, vor allem junge Soldaten zwischen 18 und 25
Jahren, schwer verletzte oder kranke Kriegsgefangene auszutauschen. Dies könnte
mehr als 1.000 Personen von jeder Seite betreffen. Erwartet worden war der
Austausch ursprünglich bereits am Wochenende.
Drohnenkrieg erreicht neue Eskalationsstufe
Der Krieg geht derweil mit verschärfter Intensität weiter. So hat Moskau
nach Angaben aus Kiew bei den nächtlichen Luftangriffen eine Rekordzahl an
Drohnen eingesetzt. Der Zählung der ukrainischen Flugabwehr nach waren es 479
Kampfdrohnen vom Typ Schahed beziehungsweise deren Attrappen. Daneben beschoss
Russland das Nachbarland auch mit 20 Raketen und Marschflugkörpern, darunter
auch 4 moderne Hyperschallraketen vom Typ Kinschal.
Die Zahl der von Russland eingesetzten Drohnen ist zuletzt immer wieder auf
neue Rekordhochs gestiegen. Hintergrund ist laut Militärexperten der drastisch
angestiegene Ausstoß solcher Flugapparate durch Russlands Rüstungswirtschaft.
Angriffe mit 500 oder mehr Drohnen könnten demnach bald zum Alltag in der
Ukraine gehören.
Mehrere Verletzte in Riwne und Saporischschja
Während die ukrainische Luftwaffe den Abschuss von 479 Angriffsobjekten
meldete, wurden in verschiedenen Regionen bis tief in den Westen des Landes auch
Einschläge registriert. So gab es in der westukrainischen Region Riwne laut
Militärgouverneur Olexander Kowal einen Verletzten. Im südostukrainischen Gebiet
Saporischschja, das seit Kriegsbeginn schwer umkämpft ist, wurden nach Angaben
des Gouverneurs Iwan Fedorow sogar drei Zivilisten verletzt, wobei sich hier die
Luftangriffe bis in den Vormittag zogen.
Einschläge gab es auch in den Regionen Dnipropetrowsk und Charkiw. Die
letztgenannte Region - bereits am Wochenende das Ziel schwerer Angriffe - wurde
den Angaben zufolge vor allem mit gelenkten Gleitbomben attackiert.
Russische Angriffe auf die Ukraine versetzen Polen in Alarm
Polen hat wegen des intensiven russischen Luftangriffs auf Ziele in der
Ukraine Abfangjäger aufsteigen lassen. Am frühen Montagmorgen seien polnische
und verbündete Kampfjets aktiviert worden, teilte das Operative Führungskommando
in Warschau bei X mit.
Auch die Luftabwehr- und Radaraufklärungssysteme am Boden seien gemäß den
geltenden Verfahren in höchste Bereitschaft versetzt worden. Diese Maßnahmen
hätten präventiven Charakter und dienten der Überwachung der Lage im
unmittelbaren Grenzgebiet.
Ukraine berichtet über eigene Treffer in Russland
Die Ukraine richtete ihrerseits mit eigenen Drohnenangriffen Schäden in
Russland an. So wurde in der an der Wolga gelegenen russischen Teilrepublik
Tschuwaschien eine Elektronikfabrik attackiert. Laut dem ukrainischen
Generalstab wurde das Unternehmen wegen seiner Antennenproduktion für russische
Waffen zum Ziel.
Der Gouverneur der etwa 650 Kilometer von Moskau entfernten Region, Oleg
Nikolajew, bestätigte den Angriff. Zwei Drohnen seien auf das Gelände der Fabrik
WNIIR in der Stadt Tscheboksary gestürzt, zwei weitere Drohnen auf Felder,
schrieb er bei Telegram. Verletzte gebe es nicht.
Der Generalstab in Kiew teilte außerdem mit, einen Militärflugplatz in der
Region Nischni Nowgorod angegriffen zu haben. Nach vorläufigen Informationen
seien zwei Kampfflugzeuge getroffen worden, hieß es in der Mitteilung des
Generalstabs. Unabhängig lassen sich die Angaben nicht bestätigen./bal/DP/he