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dpa-AFX: PORTRÄT: Staatsdienst statt freie Wirtschaft: Manager wird Minister

BERLIN/DÜSSELDORF (dpa-AFX) - Es ist eine faustdicke Überraschung: Mit dem
Chef der Elektronikkette MediaMarktSaturn, Karsten Wildberger, wechselt ein
parteiloser Wirtschaftsmanager in das Bundeskabinett, um auf Wunsch von CDU-Chef
Friedrich Merz das Amt des Digitalministers zu übernehmen. Der 55-Jährige kennt
Merz über den Wirtschaftsrat der CDU, dessen Vizepräsident er ist. Als
Parlamentarische Staatssekretäre sollen ihm die CDU-Politiker Philipp Amthor und
Thomas Jarzombek zur Seite stehen.

Das Ressort für Digitalisierung und Staatsmodernisierung wird neu
geschaffen, bislang war die Digitalisierung eher ein Anhängsel des
Verkehrsministeriums. "Ich fühle mich geehrt über das Vertrauen, das Friedrich
Merz in mich setzt, und die Möglichkeit, der neue Minister für Digitales zu
werden", erklärt der gebürtige Gießener und promovierte Physiker.
"Digitalisierung und Technologie waren prägende Themen meiner beruflichen
Laufbahn, und das neue Ministerium wird eine entscheidende Rolle bei der
Modernisierung unseres Landes spielen."

Vita des Ministers-in-spe

Der frühere Unternehmensberater war als Manager bei der Deutschen Telekom
und Vodafone tätig, 2012 wechselte er nach Melbourne zum
australischen Telekommunikationsunternehmen Telstra. 2016 kam er zurück nach
Deutschland und wurde für Operatives zuständiges Vorstandsmitglied beim
Energiekonzern Eon .

Seit 2021 steht er an der Spitze der Handelskette MediamarktSaturn und deren
Dachgesellschaft Ceconomy . Seine Bilanz ist positiv: Ceconomy hat
acht Wachstumsquartale in Folge hinter sich, aus einem altbackenen Filialisten
ist ein Händler mit starkem Internetauftritt geworden. Lag der
Online-Umsatzanteil vor der Corona-Pandemie bei 15 Prozent, so sind es nun 24
Prozent.

Reaktionen mal verhalten, mal positiv

"Wildberger weiß, wie eine Firma dank Digitalisierung aus der Krise kommt",
sagt ein Branchenkenner, der namentlich nicht genannt werden will. "Aber sein
Wechsel in den Staatsdienst birgt Risiken - er muss Behörden entstauben, er ist
politisch nicht stark vernetzt und hat keine Erfahrungen im Staatsapparat." Aus
Behördenkreisen ist zu hören, dass ein Mann von außerhalb zwar frischen Wind
rein bringen könnte. "Aber hoffentlich weiß er, dass man ein Ministerium anders
führt als ein Unternehmen in der freien Wirtschaft."

Dieser Punkt ist aus Sicht der Digitalexpertin Anke Domscheit-Berg, die bis
vor Kurzem für die Linke im Bundestag saß, Chance und Risiko zugleich. "Herr
Wildberger kann nicht in Managermanier von oben durchregieren - dann würde er
sich nur eine blutige Nase holen und am Staatsapparat scheitern." Er müsse auch
die anderen Bundesministerien, die Bundesbehörden, Bundesländer und den
Bundestag überzeugen, um erfolgreich Veränderungen anzuschieben.

Domscheit-Berg räumt ein, dass das nicht immer im Konsens gehen werde
- aus ihrer Sicht wäre es wichtig, den ersten Bundesdigitalminister
mit harten Kompetenzen für verbindliche Vorgaben auszustatten. Entscheidend
werde zudem die Rückendeckung durch den Kanzler sein.

Domscheit-Berg bezeichnet die Vorhaben, Verwaltungsprozesse durchgehend zu
digitalisieren und die IT des Bundes zu vereinheitlichen, als "Mammutaufgabe".
"Wir brauchen einheitliche Standards und Open-Source-Anwendungen der Behörden -
und zwar in der Realität und nicht mehr als reine Lippenbekenntnisse."

Der Digitalverband Bitkom wertet die Berufung positiv, weist aber auch auf
die Bedeutung der genauen, bislang noch ungeklärten Zuständigkeiten des
Bundesdigitalministeriums hin. "Mehr denn je müssen wir jetzt wettbewerbsfähig,
innovativ und digital handlungsfähig werden: um die Wirtschaft in Schwung zu
bringen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken, die Sicherheit auch im
Cyberraum zu verbessern und den Staat auf die Höhe der Zeit zu bringen", sagt
Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst.

Digitalisierung bislang nicht gebündelt

Die Zuständigkeiten zur Digitalisierung sind in der Bundesregierung bislang
auf verschiedene Ressorts und Bundesbehörden verteilt, künftig sollen zentrale
Kompetenzen gebündelt werden. Wie genau das aussehen soll, ist aber noch unklar.

Einige Beispiele: Das Bundesinnenministerium kümmert sich bislang um die
Digitalisierung der Verwaltung. Der Netzausbau liegt in der Zuständigkeit des
Ministeriums für Digitales und Verkehr. Datenschutz ist Sache der Bundes- und
Landesdatenschutzbehörden, und Künstliche Intelligenz ist teilweise beim
Forschungsministerium und teilweise beim Wirtschaftsministerium
angesiedelt./wdw/wa/DP/stk

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