dpa-AFX: GESAMT-ROUNDUP: Zollpause treibt Aktienkurse - Experte: Situation ist verrückt
FRANKFURT (dpa-AFX) - Der Dax hat am Donnerstag angesichts
von Donald Trumps vorläufiger Kehrtwende im Zollstreit eine Erholungsrally
gestartet. In der ersten Handelsstunde sprang der deutsche Leitindex bis zu acht
Prozent auf 21.300 Punkte hoch - zuletzt lag das Plus noch bei sechs Prozent.
Die Anleger reagierten damit auf die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump,
Sonderzölle für zahlreiche Länder auszusetzen. Zuvor hatten schon die
Aktienbörsen an der New Yorker Wall Street und in Ostasien zur Aufholjagd
angesetzt.
Gleichwohl zeichnete sich an der Wall Street am Donnerstag schon wieder ein
Rücksetzer ab. Nach der ersten Erleichterung über das Vorgehen der US-Regierung,
richten sich die Blicke auf den wirtschaftlichen Schaden, der womöglich bereits
angerichtet ist. Zudem fürchten Investoren einen fortgesetzten Zickzackkurs und
damit Unklarheit, die weder Anleger noch Unternehmen mögen.
Trump hatte mit der Ankündigung hoher Einfuhrzölle in der vergangenen Woche
eine Talfahrt an den Börsen ausgelöst. Nach heftigen Turbulenzen an Börsen und
Finanzmärkten änderte er am Mittwoch seinen Kurs und setzte gerade erst in Kraft
getretene Zusatzzölle für 90 Tage aus. "Die Situation ist nicht chaotisch, sie
ist verrückt", kommentierte Carsten Brzeski, Chefvolkswirt für Deutschland und
Österreich bei der niederländischen Bank ING mit Blick auf Trump und die
Finanzmärkte.
Trotz der Erholung am Donnerstag liegt der Dax am Donnerstagvormittag mit
zuletzt etwas mehr als 20.800 Punkten rund sieben Prozent unter dem Niveau, das
er vor der Ankündigung von Trumps Zollpaket am 2. April innehatte. Auch die
US-Indizes mussten seitdem Federn lassen.
Zehn-Prozent-Zoll gilt weiterhin
Für die meisten Länder soll aber weiter ein allgemeiner Importzoll von zehn
Prozent gelten. Die Zölle für Waren aus China erhöhte Trump unterdessen weiter
auf nun 125 Prozent.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nannte Trumps
Richtungswechsel einen wichtigen Schritt zur Stabilisierung der Wirtschaft.
"Klare, vorhersehbare Bedingungen sind für das Funktionieren von Handel und
Lieferketten unerlässlich." Die Europäische Union setze sich weiterhin für
konstruktive Verhandlungen mit den USA ein, mit dem Ziel, einen reibungslosen
und für beide Seiten vorteilhaften Handel zu erreichen.
US-Präsident reagierte auf Unruhe
Trump begründete sein Umschwenken damit, die "Leute" seien etwas unruhig und
"ein bisschen ängstlich" geworden. Ökonomen hatten in den Zusatzzöllen ein
erhöhtes Risiko für eine Rezession in den USA gesehen.
Es hatte sich auch abgezeichnet, dass Investoren US-Staatsanleihen abstoßen
könnten - eine besorgniserregende Entwicklung für die Zukunft der amerikanischen
Finanzen. Marktbeobachter mutmaßen, dass diese Entwicklung die Zollpause
herbeigeführt haben könnte. Handelsminister Howard Lutnick bestritt das in einem
Interview des Wirtschaftssenders "CNBC".
Unter Analysten auch Skepsis
Das Echo bei deutschen Börsenexperten auf Trumps Schwenk fiel
unterschiedlich aus. "Die Nachrichten zeigen, dass die Trump-Administration auf
die verschlechterten volkswirtschaftlichen Aussichten und die Marktturbulenzen
reagiert", stellte Anlagestratege Ulrich Stephan von der Deutschen Bank mit
verhaltenem Optimismus fest. Seiner Ansicht nach könnte das aktuelle Kursniveau
auf längere Sicht interessant sein.
Kritischer fiel das Urteil von Marktanalyst Jochen Stanzl vom Broker CMC
Markets aus. "Wirtschaft besteht aus Vertrauen und hier hat der US-Präsident in
den vergangenen Wochen viel Porzellan zerschlagen", so Stanzl. Universelle Zölle
von zehn Prozent würden zudem unvermindert gelten.
Unsicherheit treibt Goldpreis wieder in Richtung Rekord
Trotz des Rückziehers von Trump bleibt Gold gefragt - dafür sorgt die
anhaltende Unsicherheit infolge der erratischen Politik von Trump. Der Preis für
eine Feinunze (etwa 31,1 Gramm) an der Börse in London legte im frühen Handel
etwas mehr als ein Prozent auf 3.122 Dollar zu und baute die Gewinne vom
Mittwoch aus. Damit ist die kurze Schwächephase am Goldmarkt in den vergangenen
Tagen erst einmal beendet. Nach dem vor einer Woche erreichten Rekordhoch von
fast 3.168 Dollar kam es zu Gewinnmitnahmen und der Preis sackte bis auf fast
2.950 Dollar ab.
Verluste gab es dagegen bei den deutschen Staatsanleihen. Der
Euro-Bund-Future fiel um etwas mehr als ein Prozent auf 129,08
Punkte. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen betrug 2,60 Prozent. Die
Trendwende Trumps sorgte für Verkäufe bei den als sicher geltenden
Staatsanleihen. "Zudem richtet sich mit dem Abschluss der
Koalitionsverhandlungen in Deutschland der Fokus zunehmend auf die anstehenden
schuldenfinanzierten Ausgabenprogramme, was langlaufende Bunds belasten dürfte."
Dollar unter Druck - Bitcoin auch
Am Devisenmarkt konnte der Dollar seine jüngste Schwäche infolge von Trumps
Ankündigungen vor einer Woche etwas abschütteln, bleibt aber unter Druck. Der
Euro kostet aktuell etwas mehr als 1,10 Dollar und damit rund zwei Cent mehr als
am Mittwoch vor einer Woche. Trump könnte der schwache Dollar recht sein, da so
in den USA hergestellte Produkte, die für den Export bestimmt sind,
vergleichsweise billiger und damit wettbewerbsfähiger werden. Andererseits
gefährdet er mit seiner Politik nach Einschätzung von einigen Experten den
Status als Leitwährung, was wiederum zu Problemen bei der Finanzierung des
Staatshaushalts führen könnte.
Auch bei Krypotanlegern sorgte der Schlingerkurs Trumps für Ernüchterung.
Der US-Präsident gilt als Förderer von Kryptowährungen und vor allem des
Bitcoin. Zuletzt war bei den Digitalwährungen allerdings nichts mehr von
Euphorie zu spüren. Die älteste und bekannteste Digitalwährung stürzte von rund
88.000 Dollar vor der Zoll-Ankündigung auf circa 75.000 Dollar ab und kostete
trotz einer Erholung mit rund 81.000 Dollar immer noch deutlich weniger. Das am
Tag der Amtseinführung Trumps erreichte Rekordhoch von 109.000 Dollar ist in
weite Ferne gerückt.
Rezessionssorgen drücken auf Ölpreise
Ebenfalls deutlich unter Druck standen zuletzt die Ölpreise. Sorgen vor
einer weltweiten Rezession infolge des Zollkonflikts sowie über die Entwicklung
des Welthandels drückten die Preise für Rohöl am Mittwoch auf den tiefsten Stand
seit 2021. Davon konnten sich die Kurse am Donnerstag etwas erholen. Öl ist
allerdings immer noch rund 15 Prozent billiger als vor etwas mehr als einer
Woche. Das erratische Handeln der US-Regierung in der Zollpolitik bleibt
allerdings ein Unsicherheitsfaktor; Konjunkturängste bleiben bestehen - zumal
die Zeichen im Handelskrieg zwischen den USA und China alles andere als auf
Entspannung stehen./DP/zb/mis