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dpa-AFX: KORREKTUR/ROUNDUP/Wirecard-Affäre: OLG lässt Anleger auf Schadenersatz hoffen

(Korrigiert wird in der Meldung vom 09.12.2021 die Zahl im 5. Absatz, 1.
Satz: Sie muss 1,9 rpt 1,9 lauten.)

MÜNCHEN (dpa-AFX) - Im Wirecard -Skandal können frustrierte
Anleger nach ihren immensen Kursverlusten nun doch auf Schadenersatzklagen gegen
die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY hoffen. Diese hatte die falschen Bilanzen
des ehemaligen Dax -Konzerns testiert. Das Münchner
Oberlandesgericht machte am Donnerstag in einem vorläufigen Hinweis gravierende
Zweifel an den Gerichtsentscheidungen der ersten Instanz publik. Dabei hatte das
Münchner Landgericht Klagen gegen EY ohne weitere Beweisaufnahme abgewiesen.
Laut OLG hätte das Landgericht - analog zum Dieselskandal - sehr viel genauer
prüfen müssen, ob EY vorsätzlich sittenwidrig handelte.

Der vorläufige Hinweis bedeutet nicht, dass das OLG die Wirtschaftsprüfer
von EY in jedem Fall für mitverantwortlich hält, oder dass ein Erfolg der Klagen
gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nun garantiert wäre. Allerdings machte
der 8. Zivilsenat des OLG sehr deutlich, dass das Landgericht sich nach seiner
Einschätzung viel zu oberflächlich mit dem Fall befasst hat.

Insbesondere rüffelt der Senat, dass es dem Landgericht wohl an "eigener
Sachkunde" fehle, um die in einem Gutachten der Prüfungsgesellschaft KPMG
erhobenen Vorwürfe gegen EY zu beurteilen. Dafür wäre laut OLG ein
Sachverständigen-Gutachten angebracht gewesen.

Darüber hinaus hält das OLG dem Landgericht vor, den Bericht des
Wirecard-Untersuchungsausschusses im Bundestag ignoriert zu haben, und zwar
"gehörswidrig" zum Nachteil der klagenden Anleger. Das OLG empfahl dem
Landgericht, ein Musterverfahren zu eröffnen. Als Option erwägt das OLG demnach
aber auch, das Verfahren an das Landgericht zurückzuverweisen, um die bislang
fehlende umfangreiche Beweisaufnahme nachzuholen.

Wirecard hatte im Juni 2020 zuerst erfundene Buchungen in Höhe von 1,9
Milliarden Euro eingeräumt und wenig später Insolvenz angemeldet. EY hatte die
Bilanzen des Unternehmens zuvor über Jahre geprüft und testiert, ohne den
mutmaßlichen Betrug zu entdecken. Die Münchner Staatsanwaltschaft geht davon
aus, dass der Vorstand wie eine kriminelle Bande agierte und die Bilanzen
jahrelang bewusst fälschte, um Bankkredite und Investorengelder zu erschleichen.
Der frühere Vorstandschef Markus Braun sitzt seit fast eineinhalb Jahren in
Untersuchungshaft.

Für die Aktionäre bedeutete die Wirecard-Pleite immense Verluste in
zweistelliger Milliardenhöhe. Deswegen sind beim Münchner Landgericht Hunderte
von Schadenersatzklagen gegen EY eingegangen, die bislang abgewiesen wurden.

Das Landgericht sah in mehreren Entscheidung keinen ursächlichen
Zusammenhang zwischen den EY-Testaten und den Verlusten der Anleger,
beziehungsweise keine Pflichtverletzung der Prüfer. Das OLG jedoch meldet an
dieser Sicht der Dinge große Bedenken an: Nach Einschätzung des Senats hätte
eine frühere Verweigerung des Testats durch EY auch einen früheren
Insolvenzantrag der Wirecard AG zur Folge gehabt. Ausgehend davon spräche dann
"wohl die allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass die Anleger die
streitgegenständlichen Aktienkäufe in Kenntnis dessen nicht getätigt hätten",
hieß es in der Mitteilung des OLG./cho/DP/men

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