Lesen Sie im Marktfocus die fundierten Einschätzungen und Analysen zu aktuellen Entwicklungen in der Weltwirtschaft von Carsten Brömstrup, dem Vorsitzenden des OLB Investmentausschusses. Im Trendfocus finden Sie außerdem Informationen, Expertenwissen und Antworten auf Fachfragen rund um Wertpapiere und Finanzmärkte.
Marketingmitteilung
OLB Marktfocus
Ausgabe vom 15. Februar 2024
Von Geopolitik und „Goldenen Löckchen“: Potenzialabwägung
Derzeit werden viele vermeintliche Marktübertreibungen diskutiert, insbesondere bei Technologiefirmen, die vom Megatrend der „KI“ (Künstliche Intelligenz) profitieren. Wir finden aber auch gute Gründe für neues Kurspotenzial.
- Die größten Risiken kommen unseres Erachtens von der geopolitischen Seite. Es besteht keine Frage darüber, dass der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ein Belastungsfaktor ist, auch wenn die Rüstungsbranche davon profitieren mag. Die Unsicherheit über den weiteren Ausgang des Krieges ist hoch und belastet auch die Konsumentenstimmung. Auch wittern zweifelhafte Machthaber wie der nordkoreanische Machthaben Kim ihre Chance, aus dem Dunkeln hervorzutreten.
- Hinzu kommt der Krieg im Nahen Osten, der seit dem Terrorangriff der Hamas gegen Israel zu eskalieren droht. Die USA und der Iran scheinen immer mehr in den Konflikt hineingezogen zu werden. Die Region rund um das „Rote Meer“ wird zum Nadelöhr vieler Handelsströme. Schiffsrouten müssen umgelenkt werden, was wiederum die Kosten für Frachtraten erhöht. Hierin besteht das Risiko, dass Preise bzw. Inflationsraten steigen können. Genau das gilt es aber zu vermeiden.
- Paradoxerweise wird die Inflationsrate aber gerade durch die schwache Konjunktur in China und in Deutschland gedrückt, so dass sich die Preiseffekte neutralisieren können. China leidet unter deflatorischen Entwicklungen (= sinkendes Preisniveau), insbesondere ausgelöst durch die schwelende Immobilienkrise. Auch in den USA und Europa sehen wir einen Rückgang bei Büro- und Gewerbeimmobilien. Das Konsumentenvertrauen schwindet, Preis- und Rabattaktionen häufen sich. So steht z. B. der Automobilsektor unter Druck, wobei Tesla und deutsche Autohersteller mitbetroffen sind.
- Auch aufgrund der China-Schwäche droht die deutsche Konjunktur immer mehr in eine Rezession abzugleiten. Notenwendige Reformen, Bürokratieabbau und Investitionen, die insbesondere der Mittelstand fordert, verschieben sich. Die politischen Kräfte scheinen zerstritten und unversöhnlich. Die Spaltung der Gesellschaft könnte drohen und ausländisches Kapital verschrecken. Die Konsumenten- und Unternehmerstimmung leidet auch bei uns.
- Trotzdem steht der DAX gut da. Die großen Unternehmen wie Siemens, BASF oder SAP sind international tätig und verlagern teils ihre Investitionen ins Ausland. So locken z. B. USA oder Indien mit vorteilhaften Subventionen und Wachstumspotenzialen. Einige Marktakteure sehen nun die Märkte als zu weit vorgelaufen und zu teuer bewertet. Dies gilt vor allem für die amerikanischen Aktienindizes wie den breit aufgestellten S&P 500 oder die Technologiebörse Nasdaq. Die „Magnificient 7“ („Die Glorreichen 7“: Apple, Amazon, Alphabet, Nvidia, Microsoft, Meta und Tesla) stechen hervor, wobei Tesla herauszufallen droht und durch den Pharmakonzern Eli Lilly oder den Chipkonzern Taiwan Semiconductor ersetzt werden könnte.
Wir hinterfragen nun dieses scheinbar hohe Kursniveau
- Sicherlich dürften Marktenttäuschungen bzgl. der vielen Zinssenkungserwartungen zu temporären Schwankungsspitzen führen. Dennoch bleibt der Trend bezüglich nachlassendem Inflationsdruck und daher mittelfristig weiter sinkenden Zinsen unseres Erachtens bestehen. Aus strategischer Sicht unterstützt dies die Aktienmärkte, denn die US-Notenbank FED kann aus einer Position der Stärke mit „ruhiger Hand“ agieren. Sprich, die FED hat wieder mehr Spielraum und kann die US-Konjunktur und den Aktienmarkt durch mögliche Zinssenkungen stützen, wenn nötig. Dies dürfte Aktienanleger beruhigen. Und Portfoliomanager wagen es bei gut laufenden Aktienmärkten kaum, größere Aktienbestände abzubauen. Wir nennen dies das „fear of missing out“- Phänomen (= die Angst eines Fondsmanagers bei fortlaufender Rally nicht dabei zu sein). Zudem besagt eine alte Börsenweisheit: „Never fight the FED“, was so viel heißt: Wette niemals gegen die US-Notenbankpolitik, wenn sie bei Gefahr die Märkte stützen will.
- In der Tat wurden Aktienpositionen im Zuge der Markterholung seit November 2023 weiter aufgebaut. Es liegen aber immer noch enorme Summen zur Investition bereit. Bei hohen kurzfristigen Zinsen flossen im vergangenen Jahr zusätzlich unglaubliche 1.300 Mrd. US-Dollar in US-Geldmarktfonds. Insgesamt sollen allein in den USA rund 6 Bill. US-Dollar auf geldmarktnahen Fonds schlummern. Bei perspektivisch sinkenden Zinsen könnten unseres Erachtens Umschichtungen in rentierlichere Anlagen, wie z. B. Aktien, vorprogrammiert sein. In Deutschland flossen immerhin rund 4 Mrd. Euro in Geldmarktfonds (Aktien-Publikumsfonds +11 Mrd. Euro in 2023). Bei einsetzenden Zinssenkungen könnte dies zu einer „Liquiditätshausse“ führen.
- Die Jahresendrally startete Ende Oktober 2023 von sehr niedrigem Niveau. Für die europäischen Aktienindizes wie den EuroStoxx 50 oder den DAX waren es sogar Jahrestiefstände. Trotz der aktuellen Erholung bis in die Nähe der alten Allzeithöchststände sehen wir immer noch Nachholpotenzial. Der Marktkonsensus erwartet z. B. für die DAX-Unternehmen im Jahr 2024 ein Gewinnwachstum je Aktie von durchschnittlich +7 %. Wir sehen für den Löwenanteil dieser Gewinnerwartungen nur ein moderates Revisionsrisiko, da sie auf Branchen mit soliden konservativen Ergebniserwartungen und stetig hohen Dividenden verteilt sind (Versicherungen, Banken, Pharma, Industrie, Versorger und Technologie). Außerhalb des Tech-Sektors lasten die globalen Konjunktursorgen auf den eher konjunktursensiblen Branchen (Automobil, Bau, Chemie, Rohstoffe, Immobilien und Konsum) und drücken die Bewertung. Auch hier sehen wir Nachholbedarf bei nachlassenden Konjunktursorgen im aktuellen und vor allem in den folgenden Jahren 2025 und 2026.
- Der Technologie-Sektor ist und bleibt ein Wachstumszentrum in einer sonst wachstumsarmen Welt. Ein Grund dafür ist das enorme Ertragspotenzial, dass sich durch „Künstliche Intelligenz“ (KI) für die Gesamtwirtschaft im Allgemeinen und für den Tech-Sektor im Speziellen eröffnet. Die aktuellen Quartalsberichte der großen IT-Führer in den USA wie z. B. Microsoft, Meta oder Amazon haben dies unseres Erachtens eindrucksvoll gezeigt. Aber auch in Europa haben die Branchenführer wie SAP oder ASML (Frankreich) gezeigt, dass sie es können. Diese Werte wachsen unserer Erwartung in ihre hohen Kurse hinein.
Fazit
Wo Risiken, da auch Chancen – und umgekehrt. Den geopolitischen Risiken stehen die Chancen aus den großen Trends „Dividende“ und „Künstliche Intelligenz“ gegenüber. Zudem sehen wir mit Blick auf 2025 ein Wiederanziehen der Konjunktur und ein sinkendes Zinsniveau. Dann könnten die „Glöckchen an den Börsen“ weiter klingeln („Goldlöckchen-Szenario“). Innerhalb der Aktienallokation bevorzugen wir daher eine Kombination aus günstigen, dividendenstetigen Aktien – mehrheitlich aus Europa – und scheinbar unverwüstlich wachsenden US-Technologietiteln. An diesen Werten kommt kaum ein Portfoliomanager vorbei, wenn er ehrlich ist.